beweggehn
beweggehn
ganz subtil fast unmerklich, eine verkürzung im reden, zusammenziehen
von silben
von innerer ausdehnung
fragen, spuren suchend, bewegungen und richtungen verstehn wollen
und kommen nicht mehr an, verlieren sich in legitimierungsversuchen, aber du’s, rationalisierungen
und vielleicht gehst gar nicht du weg
sondern mein empfinden ist weitergegangen, bewehgt sich anders, neu
mein wünschen
meine fragen auf neuen wegen, markieren spuren nicht mehr mit uns sondern für jedex von uns, spürbar
die ausdifferenzierung des eigenen weg zu unnahbarkeiten zueinander
weg, von einander weg
weh! im weg voneinander weg
und das was sich wie leid anfühlt, weh!, zuerst subtil fast unmerklich
bewehgend
ent_täuschte er_wartungen ii
ent_täuschte er_wartungen ii
ich habe gehofft du würdest mich fragen
weiterfragen nach dem ‚wie geht’s?‘
gehofft du würdest zu_hören
in die pausen meiner plaudernden unsicherheit
meiner verallgemeinernden allerweltskommentare
ich habe gehofft und mein sehen nach angesprochensein
nach wahrgenommensein
in dich gelegt
nicht in dich, in das bild, das ich mir von dir gemacht habe
die wunschvorstellung, meine eigene fantasie, die nicht dich meinte, sondern das wie ich dich haben wollte
dich schöngeredet habe
dich weggeredet habe
dir nicht zugehört habe
nur meine eigenen bilder ausgemalt habe und über dich geklebt hab
meine ent_täuschung eine desillusionierung von meinen zurichtenden bildern von dir
eine chance auf eine begegnung
zwischen mir und dir
und nicht länger
zwischen mir und meinen bildern
ent_täuschte er_wartungen
ent_täuschte er_wartungen
ent_täuscht zu sein ist
ohne täuschung zu sein, ist einfach sein
ist bildlos
ist ohne er_wartungen
etwas zu er_warten ist
zukunftsgewandt, der kleine spalt von jetzt zu zukunft im warten verbringend
ist jetztlos
ist leben verschiebend auf was was von außen kommt, worauf ich warte jetztvergessen
die täuschung dass enttäuschungen was negatives sind langsam aufgeben
ent_täuschungen wollen
das warten darauf dass erwartungen erfüllt sein loslassen
nur wenn ich täuschungen als wie mir auch immer selbstverborgenes ziel nicht erwarte
bin ich positiv ent_täuscht
täusche mich nicht
erwarte nichts
angelina jolie hat sich vorsorglich die brüste amputieren – äh – rekonstruieren lassen
angelina jolie hat sich vorsorglich die brüste amputieren – äh – rekonstruieren lassen
15.05.2013
warum ist die brustkrebs-prophylaktische op von angelina jolie eine so große nachricht in den medien?
weil brustkrebs dadurch als so starke lebensbedrohung greifbar wird, dass frauen sich entscheiden (entscheiden können!) sich die brüste abnehmen zu lassen. – obwohl – und das wird in allen artikeln auch deutlich, frausein so eng mit brusthaben verknüpft zu sein scheint, dass dies ein großer schritt ist. wenn nicht nur das brustkrebsrisiko so hoch ist, sondern auch das eierstock-krebs-risiko, warum lesen wir dann dazu nichts, ob sie sich auch prophylaktisch die eierstöcke hat entfernen lassen? das statistische risiko ist gleichhoch, die thematisierung aber geht gegen null. es geht um brüste, um angelina jolies brüste, um das bild von angelina jolie in westlichen medien. eierstöcke ja oder nein, das spielt da keine rolle.
aber warum ist es überhaupt thema, die brüste, wo doch auch in jedem artikel stehlt, dass angelina jolie ihre brüste schon wieder hat nachmodellieren lassen (restaurieren, rekonstruieren? mir fehlt das richtige wort hier, obwohl ich es doch jetzt schon so häufig gelesen habe gerade in den ganzen artikeln…). warum ist das eine so große nachricht in den medien (und warum steht unter dem einen foto in der taz ‚angelina jolie beim g8-außenministertreffen [sic] im april 2013‘ – ist angelina jolie außenminister [sic] von irgendwo? hab ich noch irgendwas verpasst?).
die erkenntnisse über brustkrebs sind nicht neu, die westlich medizinischen. die schulmedizinischen behandlungsweisen sind auch nicht neu und anders.
das weiße westliche heterasexualisierte frauenbild – der weiße blick auf angelina jolie – hat sich nicht verändert – und das zeigt die ganze medienfokussierung auf das thema doch auch noch mal: frauen, heterasexuailisiert als begehrenswert einzulesene frauen, sind vor allem – brüste. aber was ist das problem, wenn brüste doch künstlich herstellbar sind und hergestellt sind – wie es millionen von frauen mit brustvergrößerungen ohne jede gen-statistik-krebs-todes-diagnose kontinuierlich machen (und angelina jolie vielleicht ja auch schon gemacht hatte – oder zumindest ein lifting), haben sie das geld oder auch nicht, auf jeden fall den druck einer heteranormativen frauen zurichtenden gesellschaft, dies als einzige möglichkeit einer männlichen anerkennung, eines sexjobs, eines ‚gefühls‘ attraktiv, begehrenswert zu sein, verinnerlichte diskriminierung.
was genau ist das sensationelle an der nachricht?
angelina jolie? als außenminister? mit krebsrisiko? mit immer noch unverändert nach außen sichtbaren brüsten?
und wie liest sich das aus einer trans_x_enden perspektive? mein erster impuls war: cool, angelina kommt raus als trans, sehr geschickt, toller move. bis ich das mit den brustrekonstruktionen gelesen habe. brüste abnehmen geht nur unter statistisch mindestens 80%er todesdrohung plus kinds- und familienverantwortung. brüste abnehmen ist ein sakrileg, eine sensation, eine extremopferung (für kind und familie) eigener autentizität von personen, die in der gesellschaft als frauen hergestellt wurden und werden, immer wieder. top-surgery kann ein wichtiger, schwieriger, schmerzhafter, teurer und überlebensnotwendiger und cooler schritt zu mehr körpersein körperanwesenheit sein von trans_x_enden personen. wie hoch ist die lebenserwartung in westlicher medizinsicht von personen, die trans_x_end leben wollen und dies aus finanziellen gründen und anderen gründen, wie aufwändige begutachtungsverfahren vor einer op, aus gründen, dass sie nicht die ‚richtige‘ staatsangehörigkeit oder überhaupt keinen pass haben, nicht können? die nicht das geld, nicht den richtigen pass, nicht das supportende umfeld haben. angelino, äh, angelina, wie cool wäre es gewesen du hättest es einfach belassen bei der top surgery und fertig. wie cool wäre das gewesen – für frauen, für trans, und auch für eine endlich-infragestellung der krassen typen-hetenblicke und –normen, die dadurch mal nachhaltig irritiert worden wären!
warum wird hier so ein hype gemacht um eine prophylaktische westliche medizin und in anderen möglichen fällen von prophylaktischer todesverhinderung (in reichen westlichen kontexten) – kein rauchen, kein alkohol, kein fleisch, viel bewegung (und selbst das wird in einem der vielzähligen artikel zum thema alles genannt, um brustkrebsrisiko zu vermindern) – wieviele krankheiten wären so vorbeugbar – kein autofahren, keine schönheitsops, keine langstreckenflüge, überhaupt keine flüge – was alles wäre doch eigentlich machbar veränderbar? und ist keine sensationsnachrichten wert.
und was wäre alles an todesdiagnostiken und -statistiken veränderbar, würden alle menschen auf der welt zugang zu trinkwasser haben und ausreichender nahrungsversorgung, zugang zu ausreichenden AIDS-medikamenten, zugang zu verhütungsmöglichkeiten, und ich weiß, das alles ist auch schon nur formuliert aus einer westlichen medizinsicht, als wäre das die antwort und die rettung.
welche lebensvorstellungen und –modelle stehen eigentlich hinter diesen prophylaktischen ewig-lebens-versicherungen? was macht angelina jolie eigentlich mit ihrem lungenkrebs-risiko? auch das ließe sich um 50% reduzieren durch herausnahme eines lungenflügels. oder aber: mit dem rauchen aufhören; oder gar nicht erst damit anfangen und sich auch nicht in der nähe von rauc_herinnen aufhalten. wann eigentlich ist was prophylaktisches handeln und welches verhalten wird gleichzeitig so auch normalisiert und nicht infragegestellt? was ist mit allen denjenigen, die sich aus verschiedenen und sehr reflektierten gründen kritisch zu gentests stellen, zu der ‚gentrifizierung‘ des eigenen lebens, des partizipierens in fragwürdige westlich-medizinische statistik-verfahren, in die gen-lesbarkeit und vermeintliche voraussagbarkeit des eigenen lebens? das feiern von angelina jolies brustabnahme- und brustrekonstruktions-ops in den medien erhöht zugleich auch den druck auf frauen, doch selbst verantwortlich zu sein, wenn sie brust- und eierstockkrebs kriegen; sie hätten sich ja den forderungen westlicher schulmeidzin ganz und gar unterordnen können, gentests machen können, könnten sich statistisch vorhersagbar und vollkommen durchleuchtet durch einen westlich medizinischen blick machen und würden dann jetzt nicht… auch dies also eine fortführung der herstellung individualisierter verantwortung für eigene gesundheit – und eine abkehr von einer sozialen verantwortung: was sind denn die sozialen und gesellschaftlichen bedingungen, die zu brust- und eierstockkrebs führen? chemie im essen, in der kleidung, schlechte allgemeine versorgung, wenig möglichkeit zu sport, viel stress, alles keine großen überraschungen…. eine gesellschaftliche brustkrebsprophylaxe würde also woanders ansetzen können und müssen und nicht das problem immer stärker individualisieren, weg von den gesellschaftlichen rahmenbedingungen die sich verändern müssten (ganz abgesehen davon, wieviel staatliches geld eigentlich in brustkrebsforschung geht und wieviel in die erforschung anderer krebsarten, die nicht primär frauen betreffen).
ich bin nicht gegen top-surgery, ganz und gar nicht. ich finde es mutig und cool, und sehr häufig – vor allem bei transpersonen und auch für andere – überlebenswichtig. ich bin enttäuscht von brustrekonstruktionen und ihre selbstverständlichsetzung in allen medientexten, von der verselbstverständlichung von gentests und statistiken, von dem normsetzen von reichen wahlmöglichkeiten – und auf diese weise die aufrechterhaltung eines genderistischen klassistischen frauenbildes. wozu?
desillusionierungen
‚der ganze triumph des kapitalismus basiert darauf, dass er träume kolonialisiert.‘ arundhati roy
desillusionierungen
ich fahre mit der u-bahn
mir gegenüber sitzt eine frau, vielleicht 26, und ihre mutter.
die jüngere frau hat ihren einen arm locker um die schultern der mutter gelegt, die große papiereinkaufstüten zwischen ihren beinen bewacht und zu einem unbestimmten ort jenseits der u-bahn schaut.
die jüngere frau tippt mit einer hand eine sms in ihr handy.
die jüngere frau, die ältere frau, eine selbstverständliche gemeinschaft, eine unbenannte vertrautheit, verselbstverständlichte gesten, verselbstverständliches zueinandergehören miteinandersein
sie sitzen mir gegenüber
ich sehe sie an. ich weine
ich weine um meine nicht selbstverständlichkeit herkunftsfamiliärer zugehörigkeits klarheits bezugs bezüge
meine verentselbständlichkeit eines arms selbstvergessen und vertraut um die schulter einer anderen person einer anderen generation
die vertrautheit eines nicht reden müssens eines teilens
die selbstverständlichkeit einer selbstklaren nicht selbstgewählten zugehörigkeit
vertrautheit
nicht vertrauen
ich weine um die illusionen und eindrücke und wünsche nach einem guten wortlosen einvernehmen
einer wortlosigkeit die nicht ein totschweigen ist von dem was nicht stimmt
eine tabuisierung von unterschiedlichkeit von hadern von schmerzen von wut von zweifeln von nicht-passen
einer wortlosigkeit die die schwelle meiner zugehörigkeit markiert hat, die schwelle die, überschreite ich sie, zur aufkündigung aller naturalisierten essentialisierten zentralisierten herkunftsfamiliären bindungen führt
ich weine um meine verinnerlichten vernatürlichten illusionen davon, dass es sie gibt, die selbstverständlichen unverbrüchlichen relationen familiärer zugehörigkeit
dass es es gibt, das gefühl von zugehörigkeit, zu-hause-sein in familiären bezügen, geborgen sein in vertrauten liebevollen gesten, in wortlosem einvernehmen
ich weine, desillusioniert davon
dass es die schwelle gab
dass ich sie gefühlt habe ohne sie habe benennen zu können
und meine worte meine schritte über diese schwelle waren
ich weine
um den verlust meines kindlichen glaubens dass etwas gut ist, dass ich zugehörig bin, dass liebe ein klares, eindeutiges, gutes gefühl ist, dass familie ein ort von zugehörigkeit, liebe, klarheit ist, gut, eindeutig
weine
um den verlust
weine um den verlust
meiner sehnsucht, meines sehnens nach verselbstständlichten gesten, wortlosen klaren vertrautheiten im nicht frage gezeichneten umgang mit anderen
weine um meine illusionen
weine wegen meiner desillusionierungen
familie ist eine genderistische illusion einer reinen klaren idylle, einer selbstverständlichkeit, einer klarheit, eines alles übersteigenden bezugsrahmens, eines wertes, etwas woran x sich festhalten kann, auch wenn alles andere schwierig und kompliziert und unsicher scheint
die illusion besetzt meine träume, mein träumen, mein fühlen mein wünschen
die desillusionierung – was bleibt?
ich mache eine radtour, es ist wunderbares wetter, ein zaghafter frühling, ein lauwarmes verharren in der luft, eine versprechung von licht und blüten, von farbe. um mich herum paare, hand in hand rad fahrend, paare auf decken an seen liegend, paare arm in arm spazieren gehend, paare ruderboot fahrend. ich lese einen roman, in dem das glück das die eine person sucht, die liebe mit und zu einer anderen person ist, das happy end das paar, das aufgehen in einem zweierkontakt, die erfüllung durch das paar, die unvollständigkeit der einzelnen allein. im roman, im kino abends im film, und vorher in der werbung, paare, als idylle, als ideale, paare in zeitschriften, in tageszeitungsartikeln, in theaterstücken und hinterher in der bar und nachts in meinen träumen.
ich weine
wegen meines so langen und so unverbrüchlichen und unhinterfragten besetztseins mit dem aufgehen in paarillusionen,
wegen meines glaubens an das authentische meines fühlens, meines aufgehens im fühlen zu einer anderen person
ich weine um mein angestrengtes, aneckendes, unangepasstes, verurteiltest, dauer schlechtes gewissen verursachendes versuchen des überwindens von paarillusionen durch paarmultiplizierende beziehungsmodelle, durch gleichzeitig und doppelt und poly und neudefinierte und resignifizierte beziehungen_freundxschaften_selbstgewählte familienbezüge
ich weine um meine anstrengung, meine nicht zu spüren zugelassene überforderung
ich weine um meine aufmerksamkeit zu anderen und das fehlen meiner aufmerksamkeit zu mir
um mein mich verlieren im versuchen anderen zu entsprechen im glauben und hoffen an das arbeiten für und mit mehrfachbeziehungen, im mich schuldig fühlen mich nicht aufmerksam genug fühlen den jeweils anderen meiner gerade nicht anwesenheit gegenüber; mein mich verlieren in dem verselbstständigten selbstbild durch die liebe zu anderen und für die liebe zu anderen nur zu leben, nur leben zu dürfen, nur lebenswert zu leben – und so dann nicht mehr zu leben irgendwann, selbst
ich weine
um mein so langes und unverbrüchliches glauben an die autentizität meines fühlens auf andere gerichtet, zu anderen hin, die klarheit von liebe, die möglichkeit zu fühlen jenseits der illusionierenden zurichtungen durch genderistische vorstellungen von liebe, von beziehungen, von werten, von gefühlen
ich weine um meine verinnerlichten vernatürlichten illusionen davon, dass es sie gibt, die selbstverständlichen unverbrüchlichen selbstgewählten natürlich gespürten liebesrelationen zugehörigkeit, dass es sie gibt, die große liebe über alles hinweg, die große liebe, die genau mich meint egal was ist
weine
um den verlust
weine um den verlust
meiner sehnsucht, meines sehnens nach verselbstständlichten gesten, wortlosen klaren vertrautheiten im nicht frage gezeichneten umgang mit anderen
weine um meine illusionen
weine wegen meiner desillusionierungen
die einmaligkeits- und die wirklich-wirklichkeitsvorstellung von beziehungslieben ist eine genderistische illusion einer reinen klaren idylle, einer selbstverständlichkeit, einer klarheit, eines alles übersteigenden fühlens, eines wertes, etwas woran x sich festhalten kann, auch wenn alles andere schwierig und kompliziert und unsicher scheint, ist die kapitalistische illusion eines fühlens und kontinuierlich dafür arbeitens
die illusion besetzt meine träume, mein träumen, mein fühlen mein wünschen
meine desillusionierung lässt meine träume zerplatzen, mein träumen, mein fühlen mein wünschen– bleibt was?
ich sitze in einem arbeitsraum, ein großer tisch, viele ausdrucke und computer auf den tischen, gemeinsames denken und formulieren, noch mal nachdenken, überdenken, fragen zeichnen, neu denken neu formulieren, verwerfen, aufstehen, spazieren gehen, weiter denken, neue fragen, zweifel fragend formulieren wagen, vorsichtig fragil, neue worte finden, ausprobieren, schmecken, unterschiedlich zusammensetzen, freude über ankommen in formulierungen, in fragen, kurzes prekäres verstehen und teilen, ko sein, erleichterung, gemeinsame kurse, streiten mit anderen und neu formulieren, transpis malen, auf demos gehen, parties organisieren, plakate malen, postkarten schreiben und verteilen, diskussionen anzetteln und fallenlassen, danach noch zusammen was trinken gehen, lachen, weiterspinnen an fäden von visionen, da sein, im glück von momentanen visionen, im glück von begegnungen
community building, feministisches ver_orten, miteinander zweifelnd ängstlich freudig wütend zögernd mutig ausprobieren, teilen, arbeitend aktivistisch lebend arbeit aktivismus leben teilend, gemeinsam schreibend weitagehn, anwesend sein, leben in und mit einer community mit und für und durch ideen die über uns hinausgehen, im wunsch zu teilen, mich zu verbinden
gemeinsames aktivistisches handeln mit und zwischen und trotz und durch alle differenzen, wortungen ausprobieren und weitagehn, zuhören und die richtung wechseln, sich kümmern, bei- und mit- und füreinander und für sich selbst denkend_handelnd_bewegend sein, eine lebenstragende illusion eines möglichen geteilten lebens
ich weine
um mein besetztsein mit dem aufgehen in zusammenarbeits zusammendenk communityillusionen, in selbstgewählten politischen verbindungen,
um mein versuchen des überwindens von konkurrenzen vereinzelungen individualisierten superlativen und vergleichen in strukturen und jobcenteranforderungen, in lebensläufen und ansprachen, die doch alle das nur immer wieder abfragend herstellen, als norm setzen
weine um das so mühsame und vergebliche versuchen des überwindens von gegeneinander ausspielen in hierarchien, des überwindens von ideen als persönlicher besitz, sondern als politische sich immer wieder und weitabewegende veränderung, als lebensmöglichkeit jenseits verkapitalisierter vorstellungen
weine um meine naivität, viel zu lange, viel zu tief, meine sehnsucht nach handelnd_denkend_aktivistischen begegnungen,
weine um meine illusionierung von kontakt anwesenheit gemeinsamen und geteilten kämpfen
ich weine um meine verinnerlichten vernatürlichten illusionen davon, dass es sie gibt, die selbstverständlichen unverbrüchlichen selbstgewählten natürlich gespürten community und polit- und aktivistimusrelationen zugehörigkeit in und trotz aller sozialen zurichtungen in und durch berufe und karriere und einzigartigkeit und genialität und trennungen zwischen liebe und arbeit trotz aller dekonstruktionen
weine
um den verlust
weine um den verlust
meiner sehnsucht, meines sehnens nach verselbstständlichten wünschen von teilen von ideen, von teilen und weitagehn von utopien von gemeinsamkeit, von trans_x_enden idealen
weine um den verlust meiner naivität, meiner illusionen
weine um meine illusionen
weine wegen meiner desillusionierungen
transfeministisches communitybuilding ist eine genderistisch_rassistische kapitalistische energienehmende entpolitisierende illusion, zusammenarbeit ist eine verkapitalisierte illusion, eine vereinnahmung von energien, ressourcen, ein abarbeiten an verunmöglichten idealen in einer auf individualität, der abwertenden herstellung von differenzen, einer auf einzigartigkeit und wettbewerb angelegten gesellschaft
die illusionen besetzen meine träume, mein träumen, mein fühlen mein wünschen
meine desillusionierungen lassen meine träume zerplatzen, mein träumen, mein fühlen mein wünschen– bleibt was?
ich sitze in der u-bahn und weine, auf dem rad und weine, liege im bett und weine
ich verstecke mich im bad und weine, im büro und weine, im kino und weine
ich laufe aus der sitzung auf die straße und weine, laufe aus der umkleide und springe ins schwimmbecken und weine
ich lese eine email und weine, lese keine emails mehr und weine, ich gehe nicht mehr ans telefon, ich rufe niemanden mehr an
ich spüre die tränen wie sie über meine lippen laufen und kurz am kinn verharren
bevor sie mich loslassen
und sich fallen lassen,
tropfen
mein weinen, eine illusion von betroffenheit, von dasein, von autentizität
meine desillusionierung
umfassend
bleibe ich?
ich?
obsessions
obsessions
besetztsein,
ich habe genug von dir
ich will nicht mehr gefangen sein in dir durch dich mit dir
ich will nicht mehr
obessession
ich habe eine grenze überschritten
zwischen liebe hingabe besetzt sein mich besetzen lassen
ich weiß immer noch nicht genau wo diese grenze verläuft
wo ich über eine brücke oder einen steg gegangen bin
hin zu einem anderen sein
zwischen liebe hingabe besetzt sein mich besetzen lassen
nachts, wie traumwandlerisch?
gerannt ohne luft zu holen?
augen zu gemacht und an der hand einer andere person einfach gegangen, auf dem rad hintendrauf gesessen, verliebt wie geschwebt, von einem zustand in einen anderen
liebe hingabe besetzt sein mich besetzen lassen
und als ich mich sehr viel später umgedreht habe
die augen geöffnet habe
mich gelandet gefühlt habe
hingehört habe
luft geholt habe
habe ich den weg nicht mehr gesehen, den steg, die brücke, das rad, die hand
und wusste auch lange nicht ob es das alles oder irgendwas davon überhaupt gab,
ob es eine stelle gab von einem sein zu einem anderen
ob es eine bewegung gab, ein fortbewegen und hinbewegen
ob es schweben gab und landung
augen zu und augen öffnen
oder ob die flut langsam kam
der frühling
und das wasser stieg
alles wurde grün
und ich diese veränderung bemerkt aber nicht als weg wahrgenommen habe
jetzt ist herbst
jetzt ist kalte, frierende, nasse ebbe
das wasser hat sich zurückgezogen und schlamm zurückgelassen, wabernd und undurchsichtig, feucht-kalt und an meinen füßen schmatzend
und ich stehe zwischen fallenden blättern
auf matschigem unsicherem grund
und weiß hier kann ich nicht bleiben
bald kommt der winter, das eis
ich spüre wie kälte und feuchtigkeit durch meine knochen in meinen körper hoch steigen
hier kann ich nicht bleiben
die flut hat alle wege mitgenommen
alle meine kraft mich schwebend oder gehend wegzubewegen fortzubewegen
ich bin wie im traum und versuche meine augen zu öffnen mich selbst an die hand zu nehmen meine füße zu spüren
der sommer hat alle träume und wärme mitgenommen
ich stehe hier
und sinke tiefer und tiefer ein
und kann hier nicht bleiben
und kann doch auch nicht fort
als würde ich es nicht fassen können
dass das grün gegangen ist
das fließen des wassers warm um meine fußknöchel
dass der horizont, der so weit und verlockend war
der himmel so blau und weit
jetzt grau vernebelt ist
kein horizont auf den ich zulaufen will
und kein weg zurück
besetztsein
bestand haben
ich stehe
dort
im nichts
und kann mich in diesem frühlings-flut-bild nicht loslassen
immer noch nicht
und auch wenn ich weiß wenn ich spüre
dass die flut steigen kann
dass mir das wasser bis zum hals schon gestanden hat
dass es schon stürme gab die mich umgehauen, entwurzelt haben
hält irgendwas in mir fest an einem bild von sanftem wasser von zartem grün
ein bild, dass kurz wie ein schnappschuss nur war
für das ich alle brücken hinter mir abgerissen habe
alle wege vergessen
wege auch zu mir
halte fest an einem schnappschuss
mit geschlossenen, zusammengepressten augen
halte fest an einem wort als wäre es eine hand
ein schnappschuss
dessen gefakte machart, dessen verkürzter bildausschnitt, dessen bearbeitete farben
ich heute alle sehen alle analysieren kann
schuss
schnappt zu
und trotzdem hält irgendwas an mir fest
an dem
von dem ich weiß
dass es nie so war
an dem
von dem ich weiß
dass ich es mir selber vormache
welche sehnsucht will ich immer noch nicht loslassen? und wie lange schon?
sehnsucht nach dem liebevollen einpacken meiner füße abends in meinem eigenen bett von meiner mutter, nach einem tag kalt-bibberndem schlittenfahrens draußen
ich wollte mich nicht bewegen, weil ich es so geliebt habe als kind, dieses liebevolle mich in meine decke einpacken
wollte dass es genauso bleibt dieses gefühl diese situation
ich in meiner eigenen decke
sicher
warm
eingepackt
habe gehofft dass ich morgens genauso wieder aufwachen würde
reglos und bewegungslos schlafen würde
um diesen moment des zulassens von kümmern des bekümmertwerdens nicht zu verlieren
um ihn einzufrieren in mir
festzuhalten
sehnsucht nach einer körperanwesenheit einer körpergrenzenlosigkeit innerlich
einem begehrtwerden
einem schön-sein
einem eingepackt-sein in begehrende verliebte blicke
einem bewundertsein
einem anerkannt sein, etwas schaffen, jemand sein
sehnsucht danach, dass ich toll bin, dass ich toll bin, dass ich toll bin
dass ich geliebt bin, genau ich, nicht um des liebens willen, sondern um meinetwillen
fake! selbstbetrug! schnappschuss ansozialisierter ideale!
irgendwas von mir hält noch immer daran fest, ich weiß
und ich weiß
ich bin nicht toll
ich weiß
ich bin nicht begehrt
ich weiß
niemand packt mich ein
in eine decke
und ich spüre nicht meine füße
warm und als teil von mir
ich weiß
es ist nicht so
ich weiß
es wird nicht so sein, nicht von außen, nicht von anderen
nur von mir
und mit mir ist es nicht so
erfrorenes starres bild
einsinken in einen matschigen meeresuntergrund
von dem das wasser sich zurückgezogen hat
und das licht
und alles
nur ich
ich
stehe noch da
und versinke
versicherung teil III: normalisierungsversicherungen
versicherung teil III: normalisierungsversicherungen
dann kenne ich personen mit umfassenden normalisierungsversicherungen, um sich und andere personen immer wieder zu versichern: ich bin normal, ich habe keine probleme, alles ok? alles im lot, alles easy, that’s life, reg dich nicht auf, es bringt sowieso nichts
die immer pünktlich aufstehen, immer gut drauf sind, immer telefonieren können, die nur husten und erkältung als krankheiten kennen, oder mal einen armbruch, die sich kümmern, um andere, die kontakte pflegen, die abends gern mal ein bier trinken gehen, höchstens zwei, höchstens bis halb elf, die immer was zu sagen haben zu jedem thema und minutenschnell von einem thema zum nächsten wechseln können, wortgewandt, weltvertraut, alles klar, alles ok, die sich und das leben im griff haben, ganz grundlegend,
die ihr leben so beeindruckend im griff haben, die im januar schon wissen wann sie im sommer urlaub machen, wie und wo und mit wex, die ausrüstungen und reisebücher auf vorrat lagern, in wasser- und staubdichten kästen, immer die neuesten entwicklungen für ausrüstung kennen, die eine balance haben zwischen ihrer arbeit und adventure-sportarten, zwischen beziehung und sozialen kontakten, alles im lot, alles im griff, alles in balance,
personen, die immer richtig einparken, nicht mit dem rad auf dem gehsteig fahren, die wissen was sie dürfen und was geahndet ist im öffentlichen raum, die nicht anecken, nicht auffallen, die nicht zur last fallen wollen, nicht dem staat, den freundix der familie, die glauben dass alles so seine ordnung hat, alles so ok ist, dass die regeln schon stimmen, dass sie einen sinn haben, die gesetze, die verbote, die löhne, die entscheidungen, die andere treffen, die banken, die unternehmen, die politik
normalisierungsunauffälligkeitsversicherungen
personen, die wochenenden mit kulturellen und sportlichen events planen, die gesund essen und mäßig nur trinken, ein bier höchstens zwei, lieber noch einen gutes glas wein, die allseitig interessiert sind, tagespolitisch, global national regional lokal, die neuesten filme kennen und manchmal auch ins theater gehen, die gegen rassismus sind, ganz klar und auch beim volksentscheid zu einer nicht privatisierten wasserversorgung in berlin unterschreiben, die das schon auch beeindruckend finden, wenn andere im refugee-camp übernachten, wenn andere in flugzeugen aufstehen, um abschiebungen zu verhindern, die auf der straße sitzen bleiben, wenn wannen mit blaulicht ranrasen, sich an bahnschienen festketten – aber das kennen sie eigentlich sowieso nur aus dem fernsehen
die wissen dass die blumen im blumenladen auf kosten von menschen, die mit pestiziden besprüht werden, angepflanzt und hierhin geschickt werden, die menschen sterben, langsam, qualvoll, nicht nachweisbar, die menschen haben keine versicherungen, nicht die einen und nicht die anderen, die blumen aber halten länger, erste klasse und vollklimatisiert von ecuador nach deutschland, dann noch wochen in meiner wohnung
die bananen in meiner küche auf kosten von menschen die
die edelmetallbestandteile in meinem handy in minen abgebaut, in denen kinder ohne absicherung_löhne zwangsarbeiten, die teppiche in meinem schallisolierten dachgeschoss, das bleifreie 12-teilige art-deco-service, meine dunkel-blau stone-washed jeans, mein neues hybrid-auto, , alles auf kosten der gesundheit_des lebens_wohlergehens anderer, mein elektroschrott fast täglich, in eine orange tonne und dann in die welt und dort weiter das leben anderer menschen zerstörend, vielfach
normalisierungen struktureller diskriminierungen struktureller normalisierter ausbeutungen struktureller benachteiligung durch ressourcenverteilungen; normalisierungen durch ent_wahrnehmungen von bezügen und abhängigkeiten von leben und sterben von möglichkeiten und systematischen verhinderungen; normalisierungen durch verinnerlichungen von ungleichheiten, die als gegeben, als unsichtbar, als unveränderbar machtvoll sich immer wieder herstellen
normalisierungsversicherungen die mir ein leben in der kontinuität kolonialistischer machtverteilung sichern, ich auf der privilegierten seite
normalisierung über wissen und nicht drüber reden und stattdessen lieber über unterschiedliche weinanbaugebiete in italien reden und das beste vietnamisierte restaurant in berlin reden nicht aber über die abschiebungen von vietnamesisierten personen aus berlin, über die besten hotels in thailand reden (im süden – nicht an der grenze zu burma, wo die flüchtlingscamps sind. ach wirklich? o, das wusste ich nicht; wurden menschen abgeschoben in meinem flug? o, das wusste ich nicht;), über banalisierte weiß-statisierte heteronormative alltagsskandale reden, gebannt in medien, skandalisierungen von anderem um das skandalöse meines eigenen lebens nicht zu spüren, über einen film, den alle gesehen haben, den alle toll finden, der so viele preise bekommen hat, ein film in dem eine hetzjagd auf einen ach-so-armen typen-erzieher gezeigt wird, der von einem mädchen eines sexistischen übergriffs bezichtigt wird und der ‚unschuldig‘ ist und sein leben wird zerstört, ein wirklich gut gemachter film, hervorragende schauspieler, jaja, nein nein, das muss ja auch mal gesagt werden, wo das alles hinführt, diese gesamtgesellschaftliche verunsicherung dass alles sexismus sei, nein nein, das muss doch wirklich nicht sein, das ist doch alles normal, wie frauen und männer sich miteinander benehmen, das muss vorsichtiger und differenzierter betrachtet werden, das sind ja schließlich unbescholtene erzieher_väter_gestandene politiker_industrielle_kollegen_vorgesetzte_freunde_lehrer, wie bitte soll ich denn eine person kennenlernen, das ist doch wirklich nicht möglich, man muss doch noch flirten dürfen
heteronormative zwangsopferisierung
normalisierungsversicherungen über runterspielen und kleinreden und lächerlich machen
haha
normalisierungsversicherungen über nicht drüber reden, die skandalisierung von ansprechen von sexismus, nicht sexismus, das ansprechen ist der skandal
absicherung der eigenen privilegierungen durch kleinreden lautreden umdrehungen von vorwürfen abwehren mit vorwürfen von emotionalität und aggressivität
umfassende normalisierungs-versicherungen
die so umfassend normalisierend sind, dass sie im bestmöglichen fall sich wie die eigene haut anfühlen, wie das eigene fühlen, die gar nicht mehr fühlbar sind, die verinnerlicht_naturalisiert mich behäbig zurücklehnen lassen, bananen essend, sms-e schreibend, filme guckend, warm duschend, abfall trennend
lieber das alles oder was heißt lieber – das ist die einzige mögliche seins-form, angekommen in der normalisierung des eigenen erlebens, in der eigenen versicherungshaut, dass es alles zu komplex und zu weit weg und zu wenig greifbar ist, dass ich doch wirklich nichts machen kann, dass damit doch auch nichts besser würde, dass dann sofort doch was anderes losgehen würde, dass ich doch besser erstmal mich jetzt ausruhe, beruhige, noch mal nachdenke, dass doch niemandem damit geholfen ist, wenn ich jetzt auch noch
lieber also das alles nicht spüren_wissen_entmerken als
ich versuche doch wirklich unbescholten und aufrichtig und gut zu leben, wirklich
es ist doch jetzt wirklich zu viel verlangt, dass
wo soll das denn hinführen
etwas spaß muss doch sein!
denn morgen früh muss ich wieder aufstehen
und rechtzeitig da sein, auf der arbeit
muss meine mutter anrufen
muss nachhilfe geben
muss einen blumenstrauß für meine kollegin kaufen, die morgen doch
lieber also das alles nicht spüren_wissen_merken als
ich kenne mich nicht mehr
ich habe mich verloren
in dem ständigen versuch einer normalisierung
einer normalität
eines unauffälligen lebens
ich bin zu einem anhang meiner normalisierungsversicherung geworden
die bedingung ihrer erfüllung
und lebe auf diese erfüllung hin
und lebe
so vielleicht nicht mehr
bin begraben unter meinen versicherungspolicen
normalisierungsversicherungen von leblosigkeit
um ein unkontrollierbares leben zu bannen, zu kontrollieren, im griff zu halten
um eine privilegierte behäbigkeit und gefälligkeit zu vergewissern zu normalisieren
und die diskriminierungen, auf die diese normalisierung beruht,
mir
weiter zu versichern
mein lieben
mein lieben
wenn ich beschreiben sollte wie ich es mir vorstelle, mein lieben:
offenheit und immer wieder neues interesse
lust am zuhören am begleiten am gemeinsam bewegen
lust mich zu spüren, an punkten die weh tun an punkten die verborgen sind, auch vor mir selbst, lust zu lust, lebenslust, lieben
lust mich kennenzulernen in einem nahkontakt, die veränderungen meiner spröden rissigen haut im weichwerden in vertrauen bemerken begleiten zulassen wollen
meine angst aushalten mein zittern mein zurückschrecken
meine unnahbarkeiten aushalten, meine einstudierten muster zu überleben kennenlernen wollen, aushalten, mich, aushalten, deine irritation, deine verletzung, offen zu sein, mich zu verändern
meine träume wollen, auch die nachts, auch die schrecklichen
teilen wollen, etwas davon, immer mal wieder
ohne aufzugehen in einem wir
ohne das ich aufzuheben in einer mich verschlingenden pseudonähe die gar nicht nah sein kann da ich als wesen gar nicht mehr mir spürbar bin
lieben, so stelle ich es mir vor
bei mir sein
mich um mich kümmern
und in momenten schönen lichts auf wasser – wie gerade jetzt, später nachmittag in einem museumscafé in stockholm, blick auf wasser himmel, kleine boote, häuserreihen im hintergrund, dann wieder himmel
in momenten berührender musik, schöner worte in seltenen büchern, zufriedenen ko-seins nach einem tag wandern, aufglucksen wenn mir eine idee kommt, ich eine blume kaufe einen vogel sehe, mich ein kind, ein kleines, offen anlächelt,
dass ich in den momenten dich anrufen will, deine hand nehmen will und sie leicht drücken, kurz den blick von meinem buch heben und dich ansehen und wissen du spürst meine empfindung und ich kann sie mit dir teilen
dass ich das erschöpfte glück in deinen augen sehe, wenn du von einer halben nacht mit anderen dykes in einer kneipe nach hause kommst, nach einem langen und doch für dich nie lange genugen spaziergang mit l, einer sms von d und dass ich das glück sehen darf, du das glück in deinen augen auffunkelnd kurz und vielleicht unmerklich mit mir teilst, mich teilhaben lässt an der schönheit deines funkelnden kurzen heimlichen glücks
dass du mir erzählen kannst von deinem wunsch nach verliebtheit, deinem zarten unausgesprochenen und leider so unerfüllten treuen verliebtseins dass du mein verliebtsein teilst, begleitest auch in die tiefen und dramatischen selbstaufgaben und verzweiflungen durch die ich gegangen bin und gehe wie in einem grauen dauernnassen flanellmantel, stinkend, in einer unbeleuchteten dauernassen einsamen straße, und du, da irgendwo, hinter einem flüchtigen fenster hast eine schwache gedämmte lampe abends immer wieder angemacht, ich umherirrend und lange brauchend bis ich wieder reinkommen konnte, den mantel ausziehen konnte, duschen, eine tasse tee umklammernd, wortlos und fassungslos, immer noch
du hast eine lampe immer wieder angemacht, immer wieder, hast an mich geglaubt in momenten in denen ich schon lange nichts mehr glaubte und am wenigsten mir und balanciert bin, fiebrig auf dem grat einer anwesenheit am abgrund
hast den tisch abgewischt immer wieder, und wir beide können darüber lachen, über deinen versuch etwas ordentlich und klar zu halten mit wischen
ich bin wieder rein gekommen
wir haben die wohnung umgestellt, jedex für sich und beide zusammen, haben neue räume angebaut und fenster geöffnet, und noch immer sortieren wir uns neu in einem leben dessen von außen an uns herangetragene fragende konturen und vorgegebene strukturen nicht dich und mich zu meinen scheinen, versuchen möbel und kleidung und worte zu finden, die passen, dir und mir, unserer beweglichkeit, koffer die unseren reisen entsprechen, probieren neue räume und neue verbindungen,
ziehen aus und weinen
ziehen weiter und fangen wieder an uns zu freuen
und teilen dabei in momenten, weit voneinander weg doch auch immer wieder mal das probieren und ängstlich sein, etwas davon,
und gehen immer wieder auch nebeneinander auf unseren unterschiedlichen wegen,
wegen, die dornig sind und am grat, die bedrohlich sind und uns herausfordern, helfen uns tragen und helfen uns unsere eigenen wege zu suchen zu finden zu suchen
teilen glück und teilen lachen
teilen sehnen
auch sehnen nach den momenten in denen ich mir wünsche du wärst kurz da, ich könnte kurz zu dir hinsehen, dir kurz vorlesen aus der zeitung (und mich heftig aufregen), dir kurz zuhören wie du aus der zeitung vorliest, dich heftig aufregend, dich kurz anstoßen mit dem fuß und wir würden beide die augen verdrehen und wahrscheinlich auch lachen
und gehen unserer wege tastend unsicher fröhlich mutig
wissend um uns unsere immer-wieder begegnungen unser immer noch wohlwollen zugewandtsein
und vielleicht dauert es manchmal tage oder wochen bis ich spüre, dass ich dich anrufen will, wenn ich aufwache aus einem traum, wenn ich ein schönes wort lese, wenn ich basketball spielen will, wenn ich bolognese esse. vielleicht dauert es manchmal monate oder jahre, dass ich dich treffe, wenn ich ein geschenk für dich gekauft habe, einen kuchen gebacken oder wie jetzt – ein gedicht geschrieben habe, für dich. dich anrufen will, um das glück meiner kurzen anwesenheit im traum und wort und geschenk und kuchen und gedicht mit dir teilen zu wollen
vielleicht ist es das, wie ich mir lieben vorstelle
der kurze impuls mit dir zu teilen
das kurze intensive sehnen immer wieder nach deiner anwesenheit, das wissen um unser teilen
das lange tiefe vertrauen
das gemeinsame lachen
die offenheit für die veränderbarkeit unserer jeweiligen wege unserer unterschiedlichen begegnungen
was ich empfinde, wenn ich hier sitze, in stockholm im museumscafé mit blick auf himmel wasser himmel
und dich anrufen will, kurz dir das schicken,
das licht
und den blick
und mein dich lieben
so
schwimmbad, interdependent
schwimmbad, interdependent
20. februar 2012 stockholm
ich gehe ins schwimmbad. ich kann gehen. ich kann ins schwimmbad gehen, habe das geld dazu den eintritt zu bezahlen, was nicht gerade gering ist in schweden. kann sehen, kann mir meinen weg bahnen, kann mich selbstständig umziehen, kann schwimmen, ich bin umfassend ableisiert, was mir viele möglichkeiten der einnahme öffentlicher räume ermöglicht. ich habe die zeit ins schwimmbad zu gehen, habe jobs, mit denen ich mir meinen alltag zeitlich selbst strukturieren kann, habe räume in denen ich so arbeiten kann, wie ich arbeiten will, kann mich also entschließen nachmittags ins schwimmbad zu gehen.
und trotz all dieser interdependenten privilegierungen habe ich doch lange darüber nachgedacht und abgewägt, wie stabil ich mich fühle, öffentlich zu sein, ausgezogen, angesehen. ich habe ein starkes bedürfnis mich zu bewegen, nicht nur den ganzen tag mit meinem notebook in verschiedenen positionen mich auf verschiedenen sitzgelegenheiten aufzuhalten. will mich spüren, mir anders präsent sein als ich es kann mit blick auf einen leicht flirrenden bildschirm, auf dem ich in irrem tempo worte hacke und zu bedeutungshoffnungen verstehenshoffnungen zusammensetze. draussen hat es angefangen zu tauen, aber die wege sind noch immer von eisschichten überzogen, so dass ich es nicht wage stattdessen laufen zu gehen – was ich ableisiert – machen könnte. was ich als weiße person nicht weiter überlegen muss, nicht darüber nachdenken muss, wie sicher bestimmte straßen und dunkelheiten in bezug auf rassistische übergriffe sind. ich gehe also schwimmen, eine kraftanstrengung, ein luftanhalten zwischen schwimmbadeingang und eintauchen ins wasser und dasselbe auch wieder zurück. wie habe ich diese anstrengung nicht immer merken können – und gleichzeitig meine möglichkeiten mich überhaupt in diese situation zu begeben? oder habe ich sie immer gemerkt und merkend entmerkt, nicht wahrhaben wollen, sie merkend willentlich vergessen übermerkt um überleben zu können in einer auf zweigenderung ausgerichteten gesellschaft, die mich in so vielfacher hinsicht priviligiert? oder ist es das was die dispositive dimension genderistischer diskriminierung ausmacht, die ent_intelligibilisierung der konstituierung durch diskriminierung gekoppelt in meinem fall mit massiven gleichzeitigen verwobenen interdependenten privilegierungen über ableismus und rassismus; ist es das, was als dispositiv zu unkonzeptualisierbar also ist, dass jegliches merken verunmöglicht ist – und doch gleichzeitig da, doch mich gleichzeitig konstituiert? kinder unter 10 jahren etwa starren mich unverhohlen an und bekommen körpergröße körperstatur körperdetails und umkleideeinteilungen und kleidung nicht überein. und trotzdem: mich können die ableisierten kinder anstarren. wieviele disableisierte dyke_trans kommen gar nicht erst bis hierhin, da die hürden in vielfacher weise schon vorher viel zu hoch sind.
mein immer-wieder-nachdenken zeigt mir an tagen meine fragilität und das ziehen nach einpassung in etwas in das ich nicht passen will und kann, und wenn ich weniger fragil etwas stabiler stehe, dann kann ich es auch so einlesen und mich dann damit sein lassen, mit meinen widersprüchlichen zugehörigkeitsbedürfnissen manchmal und mich wahrnehmen in meiner massiven und machtvollen zugehörigkeit zu der normalisierung weißer ableisierter personen, die in und durch schwimmbäder auch gleichzeitig stattfindet.
heute ist ein prekärer tag, ein unsicherer tag, ein tag von balancegängen, dünnem eis, tauend, aber da, tauend und doch so verletzungsnah, so dass es mir schwierig fällt zu gehen ohne das fallen schon gehend unsicher vorwegzunehmen – und trotzdem ich könnte gehen und kann mich dagegen entscheiden. heute ist auch ein privilegierter tag mit meinen verselbstständigten ableisierungen. so fühlt es sich auch im schwimmbad an, dünnes eis und doch eis, auf dem ich gehen könnte.
auch so kann ich mein leben einlesen: als ein kontinuierliches austarieren unterschiedlicher öffentlichkeiten und ein abwägen von ent_konformitäten und anpassungen, von ‚passings‘, einer reflexion meiner strukturellen privilegierungen und eines versteckens.
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rezension dazu (und zum buch feminismus schreiben lernen): FAMA 1/14