Elena Lappin (2017): In welcher Sprache träume ich? Köln: Kiepenheuer & Witsch.

Cover des Buches

(c) Kiepenheuer & Witsch.

Für wex ist das Buch?
Menschen, die an neuerer europäischer Geschichte interessiert sind, die Einsprachigkeit nicht als Norm wahrnehmen. Alle, die über den Zusammenhang von Sprachen, Migration und Identitäten nachdenken wollen.

Als erstes hat mich der Titel angesprochen – die darin anklingende Befragung von Sprachen und Zugehörigkeiten. Genau dies wird in der Autobiografie von Elena Lappin für das eigene Leben, Sein und Sprechen chronologisch erzählt. Geboren 1954 in Russland und mit drei Jahren mit den Eltern aus politischen Gründen nach Prag umgesiedelt, wo eine paar Jahre später der Bruder Maxim zur Welt kommt, zieht die Familie nach 1968 und in Folge des Prager Frühlings um nach Hamburg. Dies verlässt Elena Lappin wiederum ein paar Jahre danach und nach dem Abitur und zieht nach Israel und von da dann nach London, Kanada, wieder Israel, New York und schließlich wieder London. Eine Geschichte der geografischen und sprachlichen Ent- und Verwurzelung, der Suche nach Zugehörigkeiten über Sprachen und Länder. Diese sieht Elena Lappin sowohl im sprachlichen Sich-Ausdrücken, in jüdischer Identität, die insbesondere durch die Zeit in Deutschland sich ausprägte und in familiären Verbindungen, Kontinuitäten und nachgespürten Gemeinsamkeiten. Spät im Leben, mit über 50 Jahren, erfährt Elena Lappin, dass ihr sozialer nicht ihr biologischer Vater ist. Sie begibt sich damit auf eine weitere Wurzelsuche des eigenen Seins, ohne damit erfreulicherweise die soziale Vaterschaft als Vaterschaft auch nur ansatzweise anzuzweifeln.

Worten wird zu einem erträumten und auch immer wieder realisierten Zuhause. Literatur, Begegnungen mit Diasporisierten und ihrem Erleben verschafft kurze Gefühle von Heimat. Die Fragilität sprachlicher Zugehörigkeit und Ausdrückens wird in einer persönlichen europäischen Lebensgeschichte als einem zentralen Thema von Migration anschaulich deutlich gemacht. Lesenswert.

Was sonst noch?
Der Roman sanft und fließend erzählend, gibt Einblicke in unterschiedliche Formen von Sozialismus und seinen Auswirkungen auf das Leben von Menschen. Spannend ist auch der innerfamiliäre schreibende Bezug auf die Mutter und Schriftstellerin Rada Biller und den Bruder und Schriftsteller Maxim Biller.

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